OKTOBER /NOVEMBER

JOHANNA TIEDTKE    SVEA

SOLOAUSSTELLUNG

 

Galeriehaus, Klosterwall 13, 20095 Hamburg 

26.Oktober - 02. November 2024

 

 

Alle Fotos: André Giesemann

 

  

 

Zeitschichten

 

Nachdem Johanna Tiedtke 2021 Arbeiten aus der Serie „Flora“ in der Galerie Hollstein von Mueller ausgestellt hat, zeigt sie mit „Svea“ einen neuen Zyklus von Arbeiten. Wie in den vorherigen Werkgruppen „Käthe“ und „Flora“ verbindet Johanna Tiedkte auch in „Svea“ universelle, menschliche Themen wie Erinnerung und Verdrängung von Traumata, Identitätssuche, Kinderwunsch und Mutterschaft mit persönlichen Erfahrungen und mit

Motiven aus der Kunstgeschichte.

 

Johanna Tiedtke arbeitet in Schichten. Wie eine Archäologin legt sie Schicht um Schicht eines Themas frei, um die separierten Ebenen anschließend in einer anderen Abfolge und Ordnung neu zusammenzusetzen. Durch diesen Prozess bringt sie Verborgenes ans Licht, macht Leerstellen im Wissen und Lücken in der Erinnerung sichtbar und öffnet sie für verschiedene Interpretationen. Ihr Ausgangsmaterial sind Bilder im weitesten Sinne, etwa die Stickereien ihrer Großtante Käthe, die sich durch ihre voranschreitende Demenz verändern, oder Röntgenbilder von Kunstwerken, die ein Vorleben haben, wie in der Serie „Flora“. Die Künstlerin bearbeitet diese Bilder digital, überlagert sie mit anderen Motiven, um sie anschließend im UV-Druck auf einen Träger wie Glas oder Birkenholz zu bringen. Die Drucke bearbeitet sie malerisch, indem sie mit feinsten Pinseln auf die Motive reagiert und ihnen dadurch weitere (Bedeutungs-) Ebenen hinzufügt.

 

In „Svea“ wandert die Künstlerin durch Raum und Zeit, verbindet griechische, genauer minoische Fresken mit Renaissancemalerei und überlagert Architekturen mit Garten- und Pflanzenmotiven. Für ihre neue Serie hat Tiedtke Bilder aus der Frührenaissance gesammelt, vor allem Traumdarstellungen von Malern wie Fra Angelico und Giotto. Ihr Interesse gilt dieser Epoche, da es eine Zeit des Neuanfangs ist, in der ein neues Menschenbild entsteht und die Perspektive wiederentdeckt wird. Die oftmals seltsam anmutenden Bildräume der Renaissancemalerei extrahiert die Künstlerin. Sie entfernt menschliche Darstellungen und übernimmt das bloße Grundgerüst bestehend aus Architektur, Türen, Gängen, Fenstern und Textilien. Diese bühnenhaften Bildräume führt Tiedtke zusammen und überlagert sie mit Elementen aus minoischen Fresken, die sie im archäologischen Museum Iraklio auf Kreta gesehen hat. Die Fresken zeigen Gärten, ein Sujet, das die Künstlerin bereits in anderen Werken als Sinnbild des Übergangs zwischen öffentlichem und privatem Raum verwendet hat. Die Überlagerungen hat Johanna Tiedtke auf helles Birkenholz gedruckt, sodass die besonders intensive Maserung des Holzes Teil des Bildes wird. Leerstellen zwischen einzelnen Bildelementen füllt sie durch feine Bleistiftlinien, wie sie auch in der Restaurierung von Fresken eingesetzt werden, wo Leerstellen auf diese Weise nicht verborgen, sondern sichtbar gemacht werden. An Restaurierungen oder Retuschen erinnern auch die zarten vertikalen Striche, die Tiedtke mit leicht glänzender Farbe auf die Bilder setzt. Die floralen Motive, vor allem die Lilien, entlehnt sie ebenfalls minoischen Fresken, wo die Lilie eine große Rolle spielt. Auf Grund ihrer Schönheit steht sie für das Erblicken eines Wunders und etwas Wunderbares haftet auch Johanna Tiedtkes Serie „Svea“ an. Wie ein Vorhang oder Schleier legen sich die transparenten Schichten auf das Trägermaterial und verdichten sich zu Traumbildern und Visionen, denen der Zauber des Neuanfangs anhaftet. 

Text:  Stephanie Bunk 

 

 

 

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